Italien

Das Grabtuch von Turin: Eine Reise durch Glaube und Geheimnis

Das Grabtuch von Turin, ein kostbares Leinentuch, das in der Kathedrale von Turin aufbewahrt wird, ist seit Jahrhunderten Gegenstand von Verehrung und intensiven wissenschaftlichen und religiösen Debatten. Das etwa 441 cm lange und 113 cm breite Tuch zeigt einen Mann mit Folterspuren, die auf eine Kreuzigung hindeuten, und wird traditionell als Jesus von Nazareth identifiziert. Der Begriff „Grabtuch“ leitet sich vom griechischen σινδών ab, was so viel wie großes Tuch bedeutet, und ist heute ein Synonym für dieses rätselhafte Grabtuch. 1353 wurde das Grabtuch erstmals sicher dokumentiert, als der Ritter Gottfredo de Charny es der Kirche von Lirey (Frankreich) schenkte. Es ist jedoch nicht klar, wie Gottfrey in den Besitz des Grabtuches kam. Im Memorial d’Arcis von 1389 werden Fälschungsvorwürfe erhoben, aber der Wahrheitsgehalt dieses Dokuments ist nach wie vor umstritten. Im Jahr 1390 erließ Papst Clemens VII. eine Bulle, die die Ausstellung des Grabtuchs erlaubte, allerdings nur unter der Bedingung, dass es sich um ein „Gemälde“ und nicht um das echte Grabtuch Jesu handelte. In den folgenden Jahrhunderten wechselte das Grabtuch von einem Besitzer zum anderen, darunter die Herzöge von Savoyen, und wurde 1532 durch einen Brand schwer beschädigt.

Später wurde das Tuch von den Klarissinnen von Chambéry repariert und 1534 wieder ausgestellt. Im Jahr 1578 wurde das Grabtuch nach Turin gebracht, wo es bis heute aufbewahrt wird. Die von Guarino Guarini entworfene Kapelle, in die das Grabtuch 1694 gebracht wurde, wurde sein ständiger Aufenthaltsort, abgesehen von einem kurzen Umzug nach Genua während der französischen Belagerung von 1706 und einem Versteck in Montevergine, Kampanien, während des Zweiten Weltkriegs. Im Jahr 1946 wurde das Grabtuch nach Turin zurückgebracht. Das wissenschaftliche Interesse am Grabtuch nahm 1898 erheblich zu, als der Jurist Secondo Pia entdeckte, dass das Bild auf dem Grabtuch wie ein fotografisches Negativ aussah und Details enthüllte, die für das bloße Auge unsichtbar waren. Spätere Studien, darunter Fotografien von Giuseppe Enrie, bestätigten diese Entdeckung. 1959 wurde das Internationale Zentrum für Sindonologie gegründet und 1973 begannen direkte wissenschaftliche Studien. Im Jahr 1988 wurde das Grabtuch durch einen Kohlenstoff-14-Test auf die Zeit zwischen 1260 und 1390 datiert, was der frühesten sicheren Dokumentation entspricht.

Dieses Ergebnis, das von einigen Gelehrten wegen möglicher Verunreinigungen angezweifelt wurde, beendete die Kontroverse nicht. Andere Studien, wie die von 2002, versuchten das Grabtuch zu erhalten, indem sie die Flecken entfernten und die beschädigte Rückseite ersetzten. Das Tuch weist Verbrennungsspuren und sichtbare Schäden auf, aber seine Abmessungen und Textur wurden sorgfältig analysiert. Zu den Kontroversen über die Echtheit des Grabtuchs gehört auch die Frage der angeblichen Münzbilder auf den Augen und der Bluttropfen. Einige Wissenschaftler sind der Ansicht, dass das Blut vor der Einhüllung des Körpers entfernt worden sein könnte, während andere aufgrund der geringen Auflösung der Fotografien das Vorhandensein von Münzen bestreiten.

Auch heute noch zieht das Grabtuch Millionen von Pilgern an und regt wissenschaftliche und religiöse Debatten an. Die katholische Kirche nimmt zwar keine offizielle Position zur Echtheit des Grabtuchs ein, gestattet aber seine Verehrung als Reliquie. Die protestantischen Kirchen hingegen betrachten die Verehrung des Grabtuches als Ausdruck der Volksreligiosität. Neue Studien, wie die im Jahr 2024 durchgeführten Röntgenuntersuchungen, legen ein Datum von vor etwa zweitausend Jahren nahe, aber die Zuverlässigkeit dieser Ergebnisse bleibt umstritten. Das Turiner Grabtuch bleibt also ein faszinierendes Mysterium, ein Treffpunkt zwischen Glaube und Wissenschaft, der weiterhin Fragen aufwirft und Überraschungen bietet.